Die Weltgesundheitsorganisation hat die Impfgegner auf die Liste der zehn größten Gesundheitsrisiken für die Weltbevölkerung gesetzt, schreibt die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag (21. April). Damit wird die Impfgegnerschaft gleich kritisch beurteilt wie die Gefahren durch Ebola oder die Luftverschmutzung.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben sich die weltweiten Masernzahlen verdreifacht. Warum haben Eltern aufgehört, ihre Kinder zu impfen? Kann die Vernunft noch siegen? Journalistin Katharina Bracher hat sich in die Auseinandersetzung zwischen Schulmedizinern und Wissenschaftlern auf der einen und den Impfgegnern auf der anderen Seite begeben. Sie berichtet über Ihre Recherche in der «NZZ am Sonntag», dass im Internet eine Propagandaschlacht im Gang sei um die Wahrheit, die die bisherigen Gewissheiten auf den Kopf stelle und Zweifel in den Köpfen der Menschen säe.
Die Impfgegner berichten von Autismus als angeblicher Folge der Masernimpfung. Die Rede ist von epileptischen Anfällen, die durch den Impfstoff gegen Keuchhusten ausgelöst würden. Von der Überlastung des kindlichen Immunsystems durch die vielen Impfungen. Dass diese Behauptungen von einer überwältigenden Zahl wissenschaftlicher Studien längst entkräftet worden sind, verschwindet in der schieren Masse von Impfgegner-Propaganda, die Google zutage fördert.
„Momentan sieht es also so aus, als würden Vernunft und Wissenschaft diesen Informationskrieg verlieren“, so die NZZaS. Wie gelingt es Impfgegnern, so viele Menschen mit Zweifeln zu infizieren? Die britische Anthropologin Heidi Larson beschäftigt sich mit diesen Mechanismen, und ihr Befund ist niederschmetternd: «Eine überwältigende Mehrheit von Informationen über das Impfen im Internet stammt von Impfgegnern. Ihr Anteil ist in den letzten Jahren fast exponentiell gewachsen.» Larson leitet das «Vaccine Confidence Project» an der «London School of Hygiene and Tropical Medicine». Sie hat Akteure und ihre Botschaften im Internet rund um das Thema Impfen über die letzten zehn Jahre untersucht. Was ist der Grund für die Popularität von Anti-Impf-Botschaften?
«Emotionen sind wichtig für die Entscheidungsfindung von verunsicherten Eltern. Und die werden wachgerufen durch Bilder und Videos», sagt Larson. Inhalte von Impfgegnern bedienen das stets gleiche Erzählmuster: Die Wissenschaft, die Pharmabranche und die Gesundheitsbehörden machen gemeinsame Sache. Sie propagieren aus wirtschaftlichem Interesse Impfungen und verschweigen die Risiken.
Entscheidend im Informationskrieg sind laut Larson die Verwalter des Wissens im Internet: Google, Facebook und YouTube selektionieren und verstärken die Botschaften der Impfgegner nach eigener Logik. «Algorithmen arbeiten darauf hin, einem Anwender immer spezifischere Informationen zu liefern, die ihn aufgrund seines früheren Nutzerverhaltens wahrscheinlich interessieren. Dabei besteht das Risiko, dass Anwender ausschließlich Informationen wählen, die sie in ihren Haltungen und Einstellungen bestärken.» Im Google-Ranking verlieren die etablierten wissenschaftlichen Plattformen gegen die überwältigende Zahl von Informationen der Impfgegner.
Der Informationskrieg tobe seit Jahren, sagt Larson. Doch nur wenige Impfbefürworter hätten realisiert, dass sie in diesem Krieg Partei sind. Wissenschaft und Behörden müssten zusammenarbeiten, um den evidenzbasierten Informationen im Internet wieder zur Lufthoheit zu verhelfen.
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